Aus dem Cockpit ins Rathaus

Gebhardt-Gögercin

Eine erste Bilanz nach 2 ½ Monaten Amtszeit für Kürnachs Bürgermeister René Wohlfart

Gerne werden bei neu gewählten Amtsträgern die ersten 100 Tage beleuchtet, um ein vorsichtiges Fazit zu ziehen, ob der „Neue“ auch wirklich „in seinem Amt angekommen ist“. Bei Kürnachs Bürgermeister René Wohlfart, ehemals Eisenbahner, Gewerkschafter und Pilot, braucht man die 100 Tage nicht abzuwarten – er war vom ersten Tag an „voll da“, wusste, „was Sache ist“, hat schon jede Menge neuer Ideen entwickelt und ist dabei, diese mithilfe des Gemeinderats umzusetzen.

Modernisierung der Verwaltung und mehr Transparenz

Als Erstes hat er mit der Verwaltung die Digitalisierung der Gemeinderatsarbeit vorangetrieben. So liegen dem Gremium nun jeweils viel umfangreichere Unterlagen online zur Vorbereitung auf die Sitzungen vor – ein Umstand, der vor allem von langjährigen Gemeinderät*innen, die sich häufig nicht ausreichend informiert gefühlt hatten, sehr begrüßt wird. Erfreut zeigen sich auch die Bürger*innen über die schnelle Umsetzung eines seiner Wahlversprechen – mehr Bürgerbeteiligung. So findet alle zwei Monate vor der eigentlichen Gemeinderatssitzung eine Bürgersprechstunde statt, bei der jede*r sein Anliegen direkt vortragen kann. Der nächste Termin dafür ist der 17. September 2020. Um den Gemeinderat und v.a. dessen neue Mitglieder auf den neuesten und gleichen Informationsstand zu bringen, hat Wohlfart einen Workshop organisiert, bei dem am Vormittag Dr. Josef Ziegler, langjähriger Bürgermeister von Güntersleben, ehemaliges Mitglied des Kreistags und bekannter Ortschronist über Verwaltungs- und Kommunalrecht informierte. Am Nachmittag ging es zu den aktuellen Baustellen und Bauvorhaben der Gemeinde. Der Tag „war super“ kommentierte GRin und MdL Kerstin Celina auf Facebook die Veranstaltung.

Mitarbeiterwohlgefühl

Auch bei bereits in der letzten Legislaturperiode beschlossenen und teilweise beauftragten Bauvorhaben zögert Wohlfart nicht, eigene Ideen ins Spiel zu bringen. So hat er beispielsweise ein begehrliches Auge für neu entstehende Räumlichkeiten für eine notwendig sich vergrößernde Verwaltung. „Wir können nicht mehr länger zusehen, wie unsere gut ausgebildeten Mitarbeiter*innen in winzigen Büros oder Dach-/Kellerräumen auskommen müssen. Mir liegt viel daran, dass meine Mitarbeiter*innen gerne zur Arbeit kommen und dazu gehört auch ein heller, freundlicher und ausreichend großer Arbeitsplatz. Nur so werden wir auch unsere Auszubildenden dauerhaft in Kürnach halten können.“ Dass sich alle wohlfühlen, dafür sorgt der neue Bürgermeister auch mittels festen Mitarbeitermeetings: Montags treffen sich die Abteilungsleiter*innen des Rathauses, am Dienstag früh um 7.00 Uhr versammelt Wohlfart die Mitarbeiter des Bauhofes und zwei Stunden später trifft er sich mit den Verwaltungsmitarbeiter*innen im Sozialraum der Gemeindeverwaltung. Jeden zweiten Mittwoch redet er zudem mit dem gemeindlichen Personal in der Schule. „Ich will wissen, was meine Mitarbeiter*innen denken, wo ihnen der Schuh drückt. Und dann werde ich das abstellen,“ lautet Wohlfarts Credo.

Ein Herz für Familien

Ein Lächeln umspielt seine Lippen, wenn er an seinen jüngsten Coup denkt. Der Kürnacher Gemeinderat folgte seiner „charmanten“ (Zitat eines GR) Idee, einen neuen Platz für Trauungen zu widmen. In Absprache mit dem evangelischen Pfarrer Frank Hofmann-Kasang ist nun der Rasenplatz neben der Wegkapelle „Wasser und Glaube“ ein möglicher Ort für standesamtliche Trauungen. Die erste wird Ende Juli erfolgen. „Da bin ich sicher aufgeregter als das Brautpaar selbst“, sieht Wohlfart seiner ersten Hochzeit als Standesbeamter an diesem neuen Trauort freudig entgegen. Flott erledigte der neue Bürgermeister auch längst überfällige Aufgaben wie die Ertüchtigung des Grillplatzes am Höllberg, die Fertigstellung des Skaterplatzes an der Höllberghalle und den Schutz des neuen Festplatzes durch Sperrung für LKWS, Abladen von Bauschutt etc.

Der „rote“ Bürgermeister auf „grünen“ Sohlen

Wohlfart zeigte sich begeistert von der wertvollen, ökologisch durchdachten Arbeit von Revierförster German Hahn und den gemeindlichen Forstspezialisten, die den Kürnacher Wald in hervorragender Verfassung präsentieren können. Als eine seiner ersten „Waldhandlungen“ pflanzte der neue Bürgermeister eine kalabrische Tanne, die an die zunehmende Trockenheit und die sommerlich hohen Temperaturen besonders gut angepasst ist. „Ein tolles Gefühl, auch hier so einen guten Einblick bekommen zu haben!“ Weniger Erfreuliches kam beim Antrittsbesuch im sogenannten Kürnacher Streichelzoo hinter dem Seniorenzentrum heraus. Dieses in der Lokalpresse mit mehreren Artikeln gepriesene Projekt seines Amtsvorgängers hat nämlich etliche Macken: Hühner und Schafe sollten erst einmal gar nicht auf der gleichen Fläche gehalten werden. Die Tiere wurden nicht regelmäßig tierärztlich untersucht, meldepflichtig nicht korrekt erfasst und damit auch versicherungstechnisch unterversorgt! Und dies, obwohl Kindergärten und Schulklassen sich um ihre Fütterung kümmern und regelmäßig zu Besuch sind. „Das mache ich so nicht länger mit“, schimpft Wohlfart und stellt nun das ganze Projekt auf (tierschutz)rechtlich einwandfreie Füße. Gleichwohl weiß er um die ehrenamtliche Arbeit vieler, die sich um die Tiere kümmern, mit Futter aushelfen, Ställe ausmisten etc. Denen gilt sein ausdrücklicher Dank und auch seine weitere Unterstützung.

Personalvertretung

Wohlfart beschäftigt noch ein weiteres Thema. Er, der seine Wurzeln in der Gewerkschaft hat und in seiner Zeit als Pilot bei Air Berlin Vorsitzender der Personalvertretung Cockpit war, steht seit 1. Mai einer 5000-Seelen-Gemeinde mit einer Verwaltung vor, die keinen Personalrat hat. Entweder haben seine Amtsvorgänger das nicht für so wichtig empfunden oder ist Kürnach tatsächlich ein Paradies, aus dem man sich mit oder ohne Personalvertretung nicht vertreiben lässt? Mal sehen, wie es da weitergeht.

Text: Ilse Gebhardt-Gögercin